VR-Headset mit einer Abbildung des Asklepiosstabes auf der Vorderseite

VR in der medizinischen Ausbildung

Virtual Reality-Brillen, oder kurz VR-Brillen, erfreuen sich einer stetig wachsenden Beliebtheit. Bereits 2022 lag der Umsatz mit VR-Hardware bei 8,83 Mrd. USD weltweit und Prognosen sagen einen Anstieg des Volumens auf 30,3 Mrd. USD bis 2027 voraus. Für viele Beobachter*innen ist die virtuelle Realität im Kopf immer noch fest mit Freizeit- und Erholungsaktivitäten verbunden, insbesondere Gaming. Dennoch hat die Technik längst den Sprung aus der Sparte der reinen Unterhaltungselektronik vollzogen und wird vermehrt für produktive Zwecke eingesetzt. Laut einer aktuellen Umfrage gaben 13% aller befragten Nutzer*innen an, VR bereits für Bildungs- und Lernprojekte verwendet zu haben, 8% haben damit bereits im beruflichen Umfeld Erfahrungen gemacht.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Berichte darüber auftauchen, wie Arbeitgeber*innen versuchen, die Technologie gewinnbringend zur Fortbildung und Stärkung der eigenen Mitarbeitenden zu nutzen. Die Einsatzmöglichkeiten sind dabei vielfältig: Von Ersatzmaßnahmen für Menschen, die nicht an physischen Meetings teilnehmen können bis hin zu ausgefeilten Team-Building-Maßnahmen ist alles dabei.

Doch, ganz konkret gefragt, wie steht es um Virtual Reality in der Medizin? Wie macht man sich in diesem hochsensiblen Feld moderne Technik zunutze? Gibt es handfeste Vorteile, die analoge Trainingsmaßnahmen nicht bieten können und gibt es vielleicht sogar schon Erfolgsstorys, die den Use Case solcher Maßnahmen belegen?

VR schafft bessere Lernergebnisse

Kreidezeichnung einer VR-Brille auf einer Tafel

Es mag bei einem vergleichsweise jungen Phänomen wie der virtuellen Realität vielleicht verwunderlich klingen, doch die positiven Effekte auf menschliches Lernverhalten sind schon jetzt wissenschaftlich gut belegt - und das sowohl im Allgemeinen, als auch für den medizinischen Sektor im Speziellen.

Studien belegen, dass VR in einer solchen Lern- und Ausbildungsumgebung im Vergleich zu traditionellen Methoden zu bis zu 70 Prozent höheren Engagement-Raten führt und auch die Lerninhalte besser verinnerlicht werden. Dieser Effekt kommt nicht von ungefähr; die Gründe dafür sind neurowissenschaftlich erklärbar: Unser Gehirn organisiert Informationen räumlich in einer Art “mentalen Karte”. Eine räumliche Lernumgebung, wie Virtual Reality sie bietet, hilft daher immens dabei, solche Informationen durch die bildliche, immersive und interaktive Darstellung zu festigen. Das zugrundeliegende Prinzip dahinter nennt sich “autobiografisches Gedächtnis”. Gerade für Ärzt*innen oder medizinische Angestellte hat sich diese Lernmethode als besonders effektiv erwiesen, da man hier nicht einfach nur Beobachter ist, sondern die Handgriffe, die später in der Praxis benötigt werden, bereits einstudiert.

Positiv steht es allerdings nicht nur um die Lerneffekte, sondern auch um die Lernmotivation. Die Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat dieses Jahr (2023) eine repräsentative Studie durchgeführt, in der das universitätseigene Programm zu VR-Lehrmethoden umfassend ausgewertet wurde. Die Ergebnisse der Studie bestätigen nicht nur die verbesserten Lernergebnisse, sondern konnten auch aufzeigen, dass die Akzeptanz unter Studierenden für VR-basierte Lehrveranstaltungen besonders hoch ist. Dies galt selbst für solche Personen, die der Technologie eher kritisch gegenüber eingestellt sind. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, da Bedienprobleme mit und Skepsis gegenüber neuer Technik ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg für deren Etablierung sein können. Das Ergebnis spricht also für die intuitive und leichte Bedienung von Virtual Reality-Anwendungen.

Die Resultate der JMU stellen hierbei keinen isolierten Einzelfall dar. Auch andere Universitäten bzw. Universitätskliniken haben eigene Forschungsprogramme dazu entwickelt. Das UKE Hamburg gibt beispielsweise an, bereits 2019 eine eigene Pilotstudie zu dem Sachverhalt angestoßen zu haben und kam dabei ebenfalls zu dem Ergebnis, dass mithilfe von VR im Bereich der Herz-Lungen-Wiederbelebung ein deutlich verbesserter Lernzuwachs im Vergleich zu konventionellen Methoden feststellbar sei. Auf Basis dieser vielversprechenden Ergebnisse arbeitet das UKE zur Zeit laut eigener Aussage auch an einer verbesserten Version der Software und plant weitere Studien zur dessen Bewertung.

Doch es sind nicht nur die Krankenhäuser, in denen VR zur Ausbildung von Fachpersonal Einzug hält. Erste Praxiseinsätze vermeldet auch der Pflegesektor. Für die Auszubildenden der Helios-Kliniken-Gruppe in Wiesbaden sind Trainingseinheiten in der virtuellen Realität seit Jahresbeginn 2023 fester Bestandteil des Ausbildungsprogrammes. Denn auch hier hatte sich zuvor der Eindruck bestätigt, dass diese Lehrmethode bei den Auszubildenden auf viel positive Resonanz stößt und bessere Lernergebnisse zutage bringt. Dieses Fallbeispiel belegt zudem, welch flexible Rollen VR in einem medizinischen Kontext einnehmen kann und dass die Technik sich bei weitem nicht auf Universitätskliniken und OP-Säle beschränken muss.

VR ist detailliert und flexibel

Eine Person untersucht ein virtuelles Herz auf einem Computermonitor

Die unmittelbaren Effekte auf Lernmotivation und -erfolg sind allerdings nicht die einzigen Faktoren, die der virtuellen Realität in der Medizin immer mehr Auftrieb verschaffen. Computerprogramme erlauben uns die Simulation von Blickwinkeln und Handlungen, die in der echten Welt nicht umsetzbar wären. Genauso, wie manche Gamer*innen ein Fantasy-Rollenspiel starten, um eine zauberhafte Welt als Magier*innen zu erkunden, was in der Realität natürlich nicht möglich ist, erlaubt VR in einem medizinischen Kontext seinen Nutzer*innen völlig neue Möglichkeiten, die mit keiner anderen Trainingsmethode darstellbar sind.

Als ein Beispiel sei die Einnahme von neuen Perspektiven benannt. Ein gelebtes Exempel dafür ist die Simulation, die an der Stanford University im Bereich der Neurochirurgie zum Einsatz kommt. Studierende können durch ihre VR-Brillen buchstäblich hautnah an ein digitales Gehirn herantreten und diese nach Wunsch manipulieren - ein bisschen so, als flöge man durch ein lebensechtes, menschliches Gehirn. “Das Schöne daran ist, dass man in drei Dimensionen sehen kann, wie die Strukturen aussehen”, beschreibt ein Professor der Stanford University das Erlebnis.

Darüber, dass dieser hohe Detail- und Immersionsgrad bereits praktisch umgesetzt wurden, gibt es ebenfalls aktuelle Berichte. Dr. Jake Shine, orthopädischer Chirurg an der Kettering Health Dayton-Klinik in Ohio, hat in diesem Jahr eine erfolgreiche Schulter-OP durchgeführt, auf die er sich zuvor intensiv mittels VR-Training vorbereitet hatte. Dr. Shine hatte den Eingriff zunächst in der Klinik Punkt für Punkt simuliert, bevor er sein Headset für weitere Vorbereitung mit nach Hause nahm. “Aus eigener Anschauung denke ich, dass es reibungsloser und schneller ging, als wenn der behandelnde Arzt mich durch jeden Schritt des Falles auf die gleiche Weise führen müsste, wie er es in der VR getan hat”, kommentierte er die erfolgreiche OP später gegenüber der Presse.

Diese individuelle Empfindung von Dr. Shine kann man wohl kaum als rein anekdotisch abtun. Bereits 2019 wurden VR-Trainingsmethoden im Bereich der orthopädischen Chirurgie an der UCLA mit einer Gruppe Studierender wissenschaftlich überprüft. Das Ergebnis: In einer Test-OP an einem künstlichen Knochenmodell konnte die mit VR vorbereitete Gruppe den Eingriff 20 Prozent schneller absolvieren und die OP-Checkliste 38 Prozent vollständiger abarbeiten als die konventionell vorbereitete Testgruppe. Insgesamt erreichte die VR-Gruppe ein um 230 Prozent besseres Ergebnis auf der für die Studie angelegten, fünfstufigen Bewertungsskala. Vor diesem Hintergrund kann der Fall von Dr. Shine also als ein erster erfolgreicher Transfer des VR-Trainings von einer Testumgebung auf eine echte Operation gewertet werden.

Der Mensch im Fokus

Ein Arzt reicht einer Patientin die Hand

Einsatzmöglichkeiten von Virtual Reality in der Medizin ergeben sich aber nicht ausschließlich aus der Vorbereitung von medizinischem Personal auf ihre späteren Aufgaben. Es gibt bereits erste Feldversuche, bei denen die Patient*innen in Mittelpunkt stehen und VR-Headsets als Therapieergänzungsmittel zum Tragen kommen.

Die Ansätze und Einsatzgebiete sind hierbei vielfältig. So setzt etwa das Georgia Institute of Technology VR-Brillen in der Telemedizin zur Nachbehandlung von Schlaganfall-Überlebenden ein. Auf diesem Wege ist es möglich, Motorik und Sensorik von Betroffenen spielerisch mittels entsprechender Programme und Simulationen zu untersuchen, ohne dass diese dabei physisch in einer Praxis oder Klinik anwesend sein müssen. Die Betreuenden dieser Behandlungsmethode bewerten die Ergebnisse positiv: Patient*innen machten demnach schneller Fortschritte in der Therapie und die Echtzeitergebnisse der Simulation führten zu einer größeren Akzeptanz. Dazu ermöglicht die Heimnutzung mehr Therapiestunden und macht Kapazitäten in den Kliniken frei.

Der prognostizierte therapeutische Nutzen geht allerdings über rein körperliche Gebrechen und Erkrankungen hinaus. Im Bereich der Psychotherapie wurden ebenfalls bereits einige Fachstudien durchgeführt, die große Chancen in Virtual Reality-Behandlungsmaßnahmen sehen. Bei der Behandlung einiger Angststörungen konnte so etwa eine hohe theoretische Wirksamkeit festgestellt werden. Andere, allgemeinere Vorteile liegen außerdem darin, dass für Patient*innen ein sichereres Umfeld geschaffen werden kann, als bei konventionellen Methoden. Außerdem kann auch hier eine gewisse Entlastung der behandelnden Kliniken erwartet werden.

Der Aspekt des sicheren Umfeldes gilt im Übrigen auch für einige bereits angerissene Einsatzgebiete. Im Falle der virtuellen OP-Vorbereitung von Dr. Shine aus Ohio sagte auch dieser später bezüglich der Patientensicherheit: “Sie können wirklich eine Feinabstimmung vornehmen und lernen, was zu tun ist, aber auch, was auf keinen Fall zu tun ist, und das ohne Risiko für den Patienten”. Eine nachvollziehbare Schlussfolgerung, finden doch sämtliche Probeeingriffe nur an virtuellen Patient*innen statt.

Es zeigt sich somit, dass bei der Verwendung von VR im medizinischen Bereich nicht nur Ärzt*innen oder Pflegepersonal profitieren, sondern dass auch Personen, die im Zentrum der Behandlung stehen, gewisse Fortschritte für ihre Genesung erwarten dürfen. Es ist auch sicherlich davon auszugehen, dass sich in der Zukunft noch weitere Synergien auftun, da die virtuelle Realität gleichermaßen Chancen für Behandelte wie Behandelnde eröffnet.

VR spart Kosten

Eine VR-Brille liegt neben einem Geldsack mit Dollarzeichen

Zu guter Letzt soll auch noch ein eher pragmatischer Vorteil von virtuellen Trainings nicht unerwähnt bleiben: Der Kostenfaktor. Gerade im medizinischen Sektor ist Geld nicht immer im Überfluss vorhanden. Insbesondere die Ausbildung kann teuer werden. Verbrauchsmaterialien wie Verbände, Kanülen und dergleichen müssen konstant neu beschafft werden. Und auch eher einmalige Anschaffungen wie Übungsdummys belasten das Budget - insbesondere Modelle mit ausgefeilten Simulationsmöglichkeiten können mehrere zehntausend Euro in der Anschaffung kosten.

Virtual Reality bietet durch seinen vollständig simulierten Ansatz eine Alternative. Verbände werden hier nur digital appliziert und können beliebig oft dupliziert werden, ebenso benötigt man auch keine Trainingspuppe, die irgendwann teuer gewartet oder gar ersetzt werden muss.

Dass VR ganz allgemein zu Einsparungen am Arbeitsplatz führt, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Für den medizinischen Bereich tauchen langsam, aber sicher Berichte auf, die diesen Trend auch dort bestätigen. Beispielsweise lotet das Orlando Health Hospital derzeit Möglichkeiten zum “Teleproctoring” aus. Hierbei werden erfahrene Chirurg*innen mittels Virtual Reality zu Operationen zugeschaltet, die von weniger erfahrenen Kolleg*innen durchgeführt werden. Sie können die OP in First-Person-Ansicht aus der Ferne begleiten und wichtige Anweisungen geben. Auf diese Art werden teure Reisekosten eingespart, da die Expert*innen sonst üblicherweise landesweit in persona zu jedem Eingriff reisen müssen. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch - Ärzt*innen in der Ausbildung können die Operationen von erfahrenen Chirurg*innen mittels VR von jedem Ort aus mitverfolgen, statt zu jeder Fallbeobachtung reisen zu müssen.

Insgesamt aber sind Studien über exakte Einsparungsmöglichkeiten und deren Höhe durch VR im medizinischen Bereich noch vergleichsweise selten. Man kann allerdings aus den bereits vorhandenen Erkenntnissen und Fallbeispielen anderer Branchen schließen, dass die Annahme einer deutlich verbesserten Kosteneffizienz in der Ausbildung von medizinischem Personal plausibel ist. In den kommenden Jahren werden mit wachsender Datengrundlage zweifellos weitere Studienergebnisse auftauchen, die genauer beleuchten, wie hoch diese Einsparungen exakt sind und welche konkreten Bereiche sie betreffen.

Die Zukunft von VR in der Medizin

Eine VR-Brille mit einem Roten Kreuz darauf liegt neben einer Sanduhr

Virtual Reality ist in der Medizin und auch konkret in der medizinischen Ausbildung längst kein Unbekannter mehr. Nach allen Fallbeispielen, Studien und Artikeln, die zu diesem Anlass zusammengetragen wurden, darf man davon ausgehen, dass der Einsatz entsprechender Hard- und Software in den kommenden Jahren rapide ansteigen wird.

Es gibt auf diesem Weg allerdings noch einige Stolpersteine, die dringend behoben werden müssen. Häufig trifft man etwa die Aussage an, dass gerade die Hardware-Kosten einen Abschreckungsfaktor darstellen. Hier muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, dass die kostensenkenden Eigenschaften von VR eine teure Erstanschaffung auf lange Sicht mehr als ausgleichen können. Neue Technik und attraktive Angebote können in der Zukunft eventuell auch dabei helfen, Ängste vor dieser Einstiegshürde zu lindern.

Zudem ist dieser gesamte Themenkomplex - wie Eingangs bereits erwähnt - noch recht jung. Es gibt daher noch nicht für jeden medizinischen Teilbereich eine passende Anwendung und in vielen Fällen, bei denen solche Anwendungen bereits existieren, stecken diese noch in einem Frühstadium oder einer Testphase zu Studienzwecken. Es ist folglich noch viel Arbeit nötig, um jedem Teilaspekt der Medizin einen besseren Zugang zu VR zu ermöglichen.

Ein Beispiel für einen solchen Teilbereich, der zur Zeit noch viel zu kurz kommt, ist der der Ausbildung von Rettungs- und Notfallsanitäter*innen. Während es zweifelsohne eine respektable Errungenschaft ist, dass Virtual Reality bereits vom OP-Tisch bis zum Pflegeheim seine Dienste verrichtet, darf die Erstversorgung von Notfallpatient*innen nicht zu kurz kommen. Immerzed arbeitet daran, exakt diese Lücke zu füllen und die immensen Vorteile dieser Trainingsmethode auch in die Rettungswagen zu bringen.

Aktuell stehen die Zeichen weltweit aber dennoch gut, dass das Potenzial der Technik weiter erforscht und ultimativ gewinnbringend ausgeschöpft wird. Es mag zwar noch etwas Geduld erfordern, doch die weitere Reise von VR in der Medizin wird in jeder Hinsicht spannend.

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